Seezunge: Immer der Donau nach ...

Das obere Donautal zwischen Tuttlingen und Sigmaringen empfängt seine Gäste mit wildromantischer Fels-und-Fluss-Kulisse, sportlichen Herausforderungen und herzhafter Küche.

Ein des „Wer Fluss wechselhaften in dieselben wie die Donau Flüsse Lebens hinabsteigt, gilt seit als Heraklit: Sinnbild dem strömt stets anderes Wasser zu.“ Das Leben und die Donau stellen an Philosophen, Hydrografen und Touristen die immer gleichen Fragen: „Woher komme ich? Wohin gehe ich? Wo finde ich was zu essen?“ Diese drei Fragen stehen in einem Reiseführer über die österreichische Stadt Graz, die am Fluss Mur liegt, der in die Drau mündet, die in die Donau mündet. Im Leben und im Flusssystem der Erde hängt eben alles mit allem zusammen. Das kann allerdings weder Philosophen noch Gewässerkundige ernsthaft zufriedenstellen, und schon gar nicht die Touristiker, die den Oberlauf der Donau, Wiege von Europas zweitlängstem Fluss, für Marketingzwecke anzapfen möchten. Vor allem der Streit zwischen Furtwangen und Donaueschingen, in welcher der beiden Städte denn nun die Quelle liege, nimmt gelegentlich kuriose Züge an: Die Donau beginne zwar auf der Gemarkung Donaueschingen, am Zusammenfluss von Brigach und Breg, aber ihre Quelle befinde sich an der Martinskapelle in Furtwangen, da die Breg der längste Quellfluss der Donau sei. So argumentieren die Verfechter der Furtwangen-Theorie. Der ehemalige Donaueschinger Oberbürgermeister Bernhard Everke dagegen schließt nach langer Rede kurz und bündig: „Mit der Donauquelle in Donaueschingen hat es seit 2000 Jahren seine Richtigkeit!“ Belassen wir es an dieser Stelle bei der bekannten Schulweisheit „Brigach und Breg bringen die Donau zuweg“ und wenden uns der aus seezunge-Perspektive entscheidenden Frage zu: Wo finde ich was zu essen im oberen Donautal, möglichst regionaltypisch und gut und ehrlich zubereitet (also weitestgehend ohne Fertigprodukte)? Die Suche beginnt auf dem Tuttlinger Wochenmarkt rund um den Marktplatz, eine verführerisch appetitanregende Einstimmung auf ein Donautal-Wochenende. Hier findet man alles, was zum Picknick am Donauufer gehört: Brote, Käse, Himbeermarmelade, Gebäck, Saft aus heimischem Streuobst, Gemüse und Obst. Ferner eine große Auswahl an mediterraner Feinkost und Stände mit Eiernudeln jeglicher Form von regionalen Höfen. In der Mitte des Marktplatzes fällt der Pyramidenbrunnen von Martin Rissler auf, in dessen Wasserspiel Kinder fröhlich quietschend herumplanschen. Der Brunnen greift das seit dem Wiederaufbau nach dem Stadtbrand von 1803 quadratische Raster der Stadt auf. Das Material, Edelstahl, symbolisiert die in Tuttlingen omnipräsente Medizintechnik.

Das Picknick kann der Donautal-Reisende später auf einer der unzähligen Wiesen am Flussufer einnehmen – wer nach links und rechts schaut, wird fündig. Vorerst geht es zwölf Kilometer weiter Richtung Osten auf die Hochfläche südlich der Donau, ins Freilichtmuseum Neuhausen ob Eck. Hier kann man sehen und riechen und sich anschließend von den Sohlen kratzen, wie die Bauern und Handwerker vergangener Jahrhunderte im Donautal und Umgebung lebten: hart und überwiegend ärmlich. Das belegen eindrücklich die 25 originalen, 200 bis 300 Jahre alten Häuser, die Balken für Balken, Wand für Wand abgebaut und im Freilichtmuseum wieder aufgebaut wurden, darunter Wohnhäuser, ein Gasthaus, Backhaus, Tagelöhnerhaus, die Schmiede, Kirche, das Rat- und Schulhaus. Der Spaziergang durchs Dorf mit seinen Freigehegen und Ställen für Kühe, Schafe, Esel, Ziegen, Schweine, Gänse und Hühner ist lehrreich und empfehlenswert und durchaus romantisch, heutzutage, an einem warmen Sommertag. Wer danach aber noch immer von „guten alten Zeiten“ fabuliert, muss allzu schmerzhafte Bekanntschaft mit einem der tiefen Deckenbalken gemacht haben. Lediglich die wohlhabenden Ochsenwirte, die ehemaligen Betreiber des heute als Museumswirtschaft genutzten Gasthauses Ochsen, führten wohl ein für die damalige Zeit gutes Leben. Ob sich die Bewohner des Tagelöhnerhauses, die auf „verseichte Schdrohsägg“ (Zitat Museumsführerin) schliefen, wohl jemals einen „Schweinebrooda midd Schbädzla, Soos ond Graudsalad“ oder zumindest „A guads Briahle midd Flädle“ leisten konnten, ehe sie ihr Herrgodd endlich heimholte?

Andere Zeiten, andere Honorare. Inzwischen können nicht nur Tagelöhner, heutzutage Freelancer genannt, ihren Aufenthalt im oberen Donautal angenehm gestalten. Verständlich, dass im Naturpark Obere Donau umweltfreundlich Reisende wie Radler, Reiter und Kanuten willkommener sind als Autofahrer. Das Schutzgebiet umfasst 1.350 Quadratkilometer entlang der Donau und ihrer Nebenflüsse Bära und Lauchert zwischen Tuttlingen und Herbertingen. Es lohnt sich, eine der schönsten Landschaften Süddeutschlands mit dem Rad oder zu Fuß zu erkunden, anstatt sie mit Pferdestärken zu durcheilen.

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